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medi[a]zine
- Ausgangsüberlegung: Mediengestaltung im klinischen Betrieb
Im Projekt medi[a]zine wurden von Studierenden des Lehrgebiets
»multimediales Erzählen« Settings
entworfen, die den Medieneinsatz im medizinischen Umfeld zum Thema
haben. Wie wir darauf kamen? Eines Tages kam die Leitung der
Kinderabteilung des Sophien- und Hufelandklinikums in Weimar mit der
Bitte auf das Lehrgebiet zu, doch eine online-Version für die
»Abteilungszeitung« der Kinder zu bauen. Auf diese
Bitte hin stellten wir uns die grundsätzliche Frage, welche
Aufgabenfelder in einer solchen Abteilung – oder
überhaupt in einem Krankenhaus – für
MediengestalterInnen existieren.
Anspruch: integrative Designkonzepte
Wichtig war uns die Berücksichtigung der
Personenkonstellation:
Patienten – Ärzte – Pflegepersonal
– Angehörige.
Das jeweilige (Design)Konzept hat die Kompetenzvermittlung an
mindestens eine der vier genannten Gruppen im Blick – sowie
die Informationsvermittlung aller Beteiligten entsprechend eines
Krankheitsbildes und therapeutischen Ansatzes. Es sollten nicht
lediglich Oberflächen oder Spielzeuge für eine
Gruppe entwickelt werden, sondern immer die Schnittstellen zu den
anderen beteiligten Gruppen mitgedacht werden.
Realisierung
Die Studierenden konzentrierten sich auf die psychosomatische Abteilung
der Kinderklinik und teilten sich mit der Zeit in folgende
Arbeitsbereiche auf:
– Entwicklung eines Portals
Dies meint den Webauftritt der Kinder in der Kinderklinik. Hier sollten
die Kinder ihre gemalten, geschriebenen,.... Werke
veröffentlichen können, bzw. Aussenstehende
(Angehörige) sollten sich diese Arbeiten über das Webportal
auch ansehen können. Dieses Portal hieß in
der ersten Version »storybox«, später
schlicht: »Das Magazin«.
– Medienpädagogische Arbeit mit den Kindern
Ein kleines Medienszenario wurde entwickelt, in dem die Studierenden
den Kindern thematisch orientierte Angebote machten. Zum Themen wie
»Licht« oder »Zeit« konnten sie
malen und schreiben und die Ergebnisse am Rechner weiterverarbeiten,
oder überhaupt erst herstellen. Damit es keine isolierten
Kinder vor dem Rechner gab, wurde eine gewisse Medienknappheit
eingehalten. D.h. es gab eine Kamera, weniger Computer als Kinder,
einen Scanner, ein Tonaufnahmegerät, u.s.w. Die Kinder waren
darauf angewiesen, miteinander zu kommunizieren, sich die attraktiven
Arbeitsmittel zu teilen. Es ging dabei nicht um die Realisisierung von
Einzelwerken. Die Kinder mussten sich absprechen, damit
beispielsweise ein Märchen gemeinsam visualisiert und vertont
werden konnte. Spielerisch wurde Medienkompetenz erworben, die
Benutzung medialer Werkzeuge erlernt, das Selbstbewusstsein sollte
gestärkt werden.
– Entwicklung eines »Betriebssystems für
Kinder im Netz« (tool)
Bei der »tool«-Entwicklung und Gestaltung kam es
vor allem auf eine kindgerechte Bedienbarkeit an. Das
»tool« offeriert ein visuelles login (wichtig
für die Kopplung ans Portal – den
persönlichen Arbeitsbereich im Netz) und arbeitet mit einem
– von den Kindern im Aussehen selbst zusammenstellbaren
– Avatar. Das tool umfasst die Bereiche Textverarbeitung,
Malen und Animation. Der Chat – als Kontaktstelle nach
»aussen« gedacht – ist lediglich im
Entwurf geblieben. Das »tool« funktioniert nahezu
plattformunabhängig im Netz und könnte auch
Aussenstehenden zugänglich gemacht werden.
– Spielerische Datenerfassung (z.B. interaktives
Migränetagebuch für Kinder und Eltern mit Datenvisualisierung)
Hier konnten die betroffenen Kinder die Daten, die sie normalerweise
täglich (ihrem Befinden entsprechend) auf ein Blatt Papier
notieren, in einer Art Spielverlauf in einer computerbasierten
Anwendung eingeben. Die Fragestellungen der Ärzte konnten
verständlicher vermittelt werden, die Prozedur für
die Kinder unterhaltsamer gemacht werden. Die Daten waren so
automatisch gespeichert und mussten nicht erst vom Papier in den
Rechner übertragen werden. Die Krankheitsverläufe
konnten direkt visualisiert und ausgewertet werden. Das interaktive
Migränetagebuch besteht als mock-up.
– Evaluation
Die ersten tool-Entwürfe und Spiele wurden kleinen
Usability-Tests mit Kindergruppen aus der Klinik unterzogen. Die Ideen
und Anregungen flossen in die Entwicklung mit ein.
Eine tiefergehende Beschäftigung mit der Evaluation von
Kindergruppen in Mediensituationen zeigen die Diplomarbeit und das
spätere Projekt »visual rating« .
.www.interaktiv-narrativ.org/visualrating.htm
.www.visual-rating.de
Motivation: Wissensdesign
Das Projekt medi[a]zine bot die Möglichkeit,
mediengestalterische Konzepte und Forschungsansätze zu
entwickeln. Die häufig gestellte Aufgabe an Gestalter,
(wissenschaftliche) Inhalte anderer professioneller Berufsgruppen in
ein ansprechendes Layout zu übertragen, erweitert sich um die
Möglichkeit, Fragen an deren professionelles Wissen zu stellen.
Umgekehrt: den Gestaltungsprozess in der Wissensproduktion bewusst zu
machen, statt ihn lediglich passieren zu lassen.
Da am Projekt medi[a]zine in der Mehrzahl Studierende des Grundstudiums
teilnahmen, war der Anteil an Einführung in multimediale
Werkzeuge und Gestaltungsgrundlagen im Projekt relativ hoch. Dennoch
war es möglich, im Abgleich mit den Fragestellungen der
Ärzte und deren Vokabular, eigene Fragestellungen zu
formulieren. Nicht selbst zum Arzt oder Therapeuten werden zu wollen,
sondern problemlösend, mediengestalterisch zu arbeiten:
– Wie erzeugen wir Wissen in Gemeinschaften aller Art?
(Patientenwissen, Arztwissen, Angehörigenwissen), welche
Anwendungen können wir dafür entwerfen?
– Wie sind »mediale Verschaltungen«,
Visualisierung komplexer Sachverhalte, Navigation, Interaktion in
diesem Kontext sinnvoll zu entwickeln?
– Was sind angemessene Darstellungsformen in Bezug auf den zu
vermittelnden Inhalt und wie ist das Eingreifen in den Prozeß
der Wissensgenerierung zu gestalten?
– Wie generieren bzw. unterstützen wir
reproduzierbare Maßnahmen und Methoden für diesen
Kontext?
Für die jeweilig zu entwickelnden (medialen) Settings galt es,
die Anliegen der Ärzte und des Pflegepersonals zu
berücksichtigen und Lösungsmöglichkeiten
anzubieten:
– die Suche nach Formen selbstorganisierender Intervention
– die Vermittlung von Interaktionserfahrung
– das Gestalten der Selbstorganisation und Wissenserzeugung
... zum Ausgleich für physische, psychische und soziale
Problemlagen der Kinder.
Ausblick
Die Erfahrung, wie verantwortungsvoll und realitätserzeugend
Mediengestaltung sein kann, ist für die Studierenden sehr
wichtig gewesen. Inhalte und professionelles Anliegen anderer
Disziplinen – neben dem rein
ästhetisch-gestalterischen (sofern es das gibt) zu begreifen
und durch eigene Fragestellungen mit zu entwickeln, im Dialog
Lösungsansätze für spezifische Problemlagen
zu finden. Zudem war es ein Ansatz – von vielen
möglichen – sich in ein Berufsfeld für
MediengestalterInnen hinein zu denken, welches andere
Forschungsdisziplinen forschend und nicht lediglich werbend begleitet.
Bleibt zu wünschen, dass es diese Berufsfeld gibt und geben
wird und – in diesem Falle: die Kinder und Ärzte
– professionelle MediengestalterInnen als Partner haben. Denn
es ist zu schade, »nur« eine Übung zu
bleiben.
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