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media architectures
- Ort
Um dem Forschungsfeld der Synergie zwischen Medien und Architektur
– mit ihren vielen weiteren spannenden Aspekten –
näher zu kommen und mehr Boden zu verleihen, begann ich 2002
– gemeinsam mit den Studierenden – zu versuchen,
interessierte Professoren beider Disziplinen für einen
Masterstudiengang »media architectures« an der
Bauhaus Universtität zu begeistern. Es sollten sowohl medien-,
kunst- und architekturtheoretische Kompetenz, wie auch instrumentelle
Fähigkeiten in beiden Disziplinen vermittelt werden. Im WS
2005 schrieben sich die ersten Studierenden in den postgradualen
Master-Studiengang »mediaArchitecture« an der
Bauhaus Universtität ein.
Handlungsraum
Erste Versuche dieses Feld zu bearbeiten waren Fachkursangebote, wie
beispielsweise .»Labyrinth und
Irrgarten« im
Sommersemester 2000. Hier wurde die planvolle Gestaltung
computergestützter Benutzernavigation entlang der Idee antiker
Labyrinthe und barocker Irrgärten behandelt: zum Ziele der
Selbsterkenntnis – oder der Verirrung.
Frage: Wie wird in einem langweiligen Labyrinth eine Situation
konstruiert, die den Benutzer zum Handeln bringt? Antwort: Man
füge einen Minotaurus ein.
Zur im Fachkurs .»neue/s (geschichten)
erzählen« konzipierten und durchgeführten
Tagung .»interaktiv | narrativ. eine reise«
sprachen im »Raum«-panel Prof. Frans Vogelaar und
Prof. Elisabeth Sikiaridi aus Köln, Prof. Volker Demuth aus
Schwäbisch-Hall und Anne Heine aus Berlin.
Aus Gesprächen mit dem Lehrstuhl für Entwerfen und
Architekturtheorie entstand das Projekt .»realities, mixed« (2002), zusammen mit Wolfgang Keller (ebenfalls
Lehrstuhl Multimediales Erzählen), Prof. Gerd Zimmermann und
Tilo Amhoff (Lehrstuhl Entwerfen und Architekturtheorie) und das
Seminar .»grenzgang (inframince 01)« mit Tilo
Amhoff. Diese Lehrveranstaltungen behandelten die Wechselwirkung und
gegenseitige Beeinflussung von virtuellem und so genanntem Realraum.
»Mediatecture« steht nach Axel Wirths für
»the synergy of electronic media and the built
environment«.
Was wäre eine (medien-) gestalterische Forschung im Sinner
einer Entwicklung von Interfaces zwischen
den Räumen? Welche Entwurfsmethoden sind für die
Gestaltung von Kommunikations-, Handlungs-, Wissensräumen
brauchbar? Keine flimmernde Medienfassade an statischen
Gebäuden. Die Kunst und die Wissenschaft, im Virtuellen
(Diagramm, Plan, Modell) Räume und Wege zu denken und
darzustellen, die (möglicherweise) als Gebäude
realisiert werden können – in der Architektur
scheinen die Werkzeuge und Repräsentationsformen vorhanden zu
sein, Wissensordnungen und Benutzerinteraktion zu entwerfen,
Realität zu bilden.
Der heutige Stadtraum (das Fernsehen, das Internet) macht uns zu
Markenexperten und Kaufstrategen. Wir erfahren Bestätigung,
wenn wir kaufen – wie für sonst für kaum
eine andere Handlung. Unsere Kompetenz haben wir erworben in der
Orientierung und Navigation durch reale wie virtuelle Räume.
Bildung und Kultur sind in diesen Räumen eingeschrieben. Sie
sind produziert und wirken auf menschliches (kompetentes) Denken und
Handeln. Ein Mediatect wäre in diesem Sinne ein
verantwortungsbewusster Gestalter, der/die Konzepte zum Kompetenzerwerb
in (spezialisierten) Handlungsfeldern (problemlösend)
entwickelt und (digital, dynamisch) darstellen und vermitteln kann.
Der/die interdisziplinär (oder nach Shutaro Mukai:
undisziplinär) entwirft = übersetzend denkt, wie
(virtuelle, reale) Räume ineinander übergehen, sich
aufeinander beziehen, sich unterstützen. Oder auch: jemand der
Orte mit Wegen (potentiellen Bewegungen) und Konfrontationen
(potentiellen Handlungen) versieht und dadurch erst
(Erfahrungs/Wissens-) Räume kreiert.
Wissensraum
Die Möglichkeit des computerbasierten, multilinearen
(verräumlichenden) Erzählens dient zur Vermittlung
inhaltlicher Komplexität oder Darstellung zeitlicher
Simultaneität. Mein Interesse am Verhältnis
räumlich repräsentierter Wissensordnung und einem
sich durch diesen Raum bewegenden, memorierenden, kombinierenden,
(interagierenden) Betrachter (User) war durch die
Beschäftigung mit Kunst- und Wunderkammern entstanden. Am
Lehrstuhl »Multimediales
Erzählen« war die pragmatische Frage nach einer
Entwurfsmethodik für komplexe Wissensordnungen hinzu gekommen.
Hier begegnete mir der Begriff »Wissensdesign«
(Norbert Bolz) bzw. »knowledge media design« (Rob
Baecker).
- Neuere
Literatur hierzu: Maximilian Eibl, Harald Reiterer, Peter F. Stephan,
Frank Thissen: Knowledge Media Design – Theorie, Methodik,
Praxis, München 2005.
»Knowledge media design« ist ein
interdisziplinärer Ansatz zum computerbasierten Erzeugen,
Verarbeiten, Darstellen und Aneignen von Wissen.
Leider führte das Diskussionsfeld – meiner
Wahrnehmung nach – lange und anders womöglich als in
Kommunikationswissenschaften und Informatik, eine Parallelexistenz
neben mediengestalterischer Praxis und Lehre. Zu diesem Zeitpunkt gab
es hier keine ausreichende Diskussion über
mediengestalterische Entwurfsmethoden zur Orientierung, Navigation und
Organisation von Inhalten. – Immerhin eine
Präzisierung eigener Fragestellungen.
Assoziationsraum
Anfang der 90er Jahre – während des Studiums
– beschäftigte ich mich mit medientheoretischen und
-künstlerischen Konzepten zu Hypertext bzw. Hypermedia. Als
historische Vergleichsmodelle dienten Zettelkästen,
Bibliotheken, Archive, Textmaschinen, Verweissysteme, siehe
http://www.hyperdis.de von Heiko Idensen – also Formen
multilinearer, verräumlichender Schreibweisen. Mich
interessierte jedoch die Verortung von Artefakten
frühneuzeitlicher Naturalienkabinette,
Gedächtnistheater, barocker Kunst- und Wunderkammern; das
Raster, welches der Sortierung der Artefakte im Raum und in Vitrinen
zugrunde lag, wie auch die Assoziationsgefüge, die durch die
Lenkung des (kenntnisreichen) Betrachter-Blicks im Raum entstanden und
die angenommenen Sympathiebeziehungen zwischen den Dingen memorierte.
- Literaturbeispiele: Bredekamp, Horst: Antikensehnsucht und
Maschinenglauben: die Geschichte der Kunstkammer und die Zukunft der
Kunstgeschichte, Berlin 1993, und: Yates, Frances: Gedächtnis
und Erinnern: Mnemonik von Aristoteles bis Shakespeare, Berlin 1994
Als weitere Ordnungsfunktion des Sammlungsraumes: die Rhetorik. Nach
ihrem System entlang der bedeutungsvollen Artefakte und deren
räumlicher Korrespondenz untereinander eine freie Rede zu
kombinieren, durch die Sammlungsräume schreitend. Im Versuch
die Entwicklung bedeutsamer Verlinkung (link-Semantik) zwischen
virtuellen (Wissens-)Räumen mit den o.g. historischen Formen
ins Verhältnis zu setzen, entstand meine .Diplomarbeit.
Sammlungsraum
Woher das Interesse am Vergleich von Kunstkammer und multilinearen,
digitalen Wissensordnungen? 1981 begann ich als Schülerin im
Pfalzmuseum für Naturkunde in Bad Dürkheim zu jobben.
Noch nicht lange zuvor war das alte Museum aufgelöst und die
Sammlung in drei Teile – der kulturhistorische Teil in das
neue Heimatmuseum Bad Dürkheim, einige Stücke ins
historische Museum Speyer und der naturkundliche Teil in das neue
Pfalzmuseum für Naturkunde – aufgeteilt worden. Nur
das so genannte »Kuriositätenkabinett« im
Dachgeschoss des Pfalzmuseums für Naturkunde erinnerte noch
randständig an den verstaubten Charme der
Vorläufer-Institution. Die für mich als Kind
beeindruckenden Dioramen des alten Museums (entlang eines dunklen
Flures, wobei man bei jedem Diorama einzeln das Licht anknipsen
konnte), die hohen, tiefen Schränke mit Schubladen voll
gepresster Pflanzen, aufgespießter Schmetterlinge und
Käfer (die man als Besucher einfach herausziehen konnte), die
verfallenen Sandsteinfiguren im Garten, die
Mammutstoßzähne im Eingangsbereich über
einer heimatkundlichen Küchenszenerie,... all das war zu
Gunsten des 80er Jahre Ausstellungsdesigns verschwunden.
Ebenso eine Wissensordnung. Durchschreitbar, komplex und
wunderbar.
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